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             Kapitel 
              3. Die Christianisierung Holsteins 
             m 
              Jahre 1127 reiste der Erzbischof Adalbero nach Nordelbien. Ein Land, 
              in dem das Christentum 300 Jahre zuvor nur oberflächlich durch 
              Karl den Großen eingeführt worden war. In Adalberos Gefolge 
              befand sich ein junger Priester namens Vicelin (ca. 1099 bis 1154). 
              Dieser war zwei Jahre zuvor zum slawischen Obodritenkönig Heinrich 
              nach Lubeke (Alt-Lübeck) gereist, der ihm dort die Übergabe 
              der Kirche seiner Stadt versprochen hatte. Der Slawenkönig 
              erhoffte sich davon eine Stabilisierung seines Staates, doch verstarb 
              er plötzlich.(1) 
             Als 
              der Erzbischof und sein Gefolge in der Stadt Meldorf (Dithmarschen) 
              waren, besuchte sie der Holstenanführer, Overbode 
              Marcrad I. (holsteinischer Overbode von 1127 bis 1170), mit seinen 
              Gefolgsleuten und bat den Bischof um einen Pfarrer für das 
              Falderagebiet (auch Wittorfer Region oder später Neumünster 
              genannt). Umgehend wandte sich der Erzbischof zu Vicelin und sagte: 
            Wenn 
              du die Absicht hast, im Slawenlande zu arbeiten, so gehe mit diesen 
              Männern und übernimm ihre Kirche; denn sie liegt an der 
              Grenze beider Länder und du hast so deinen festen Aufenthalt 
              am Ein- und Ausgang des Slawenlandes."(2) 
               
             Der 
              Bischof übergab Vicelin dem Overboden und ermahnte ihn und 
              die Falderer, Vicelin gemäß seiner Stellung würdig 
              zu behandeln. Helmold, der Schreiber von Vicelin, schildert nach 
              der Ankunft in Holstein die ersten Eindrücke seines zur Knabenliebe(3) 
              neigenden Pfarrers: 
            Als 
              sie nun an Ort und Stelle angelangt waren, betrachtete Vicelin die 
              Beschaffenheit der Örtlichkeit und sah, wie das Land durch 
              eine wüste und unfruchtbare Heide ganz abscheulich, dazu das 
              Wesen der Einwohner roh und ungebildet war und dass sie von der 
              Religion nichts weiter als den Namen von Christen hatten. Denn die 
              Verehrung von Hainen und Quellen und sonst noch mancherlei Aberglauben 
              herrschte bei ihnen ... in dem Lande 
              des Schreckens und der wüsten Einöde ... 
              . Es gibt drei Völker der Nordelbinger, die Sturmarn, Holzaten 
              und Dithmarschen, welche weder durch ihr Äußeres, noch 
              durch die Sprache sehr voneinander verschieden sind und sächsisches 
              Recht sowie den Namen von Christen haben, nur dass sie wegen der 
              Nachbarschaft der Barbaren Räubereien und Diebstähle zu 
              verüben pflegen. Der Gastfreundschaft sind sie eifrig ergeben. 
              Denn bei den Holzaten muss man stehlen und schenken, um etwas her 
              zu machen. Wer nicht etwas zu erraffen versteht, gilt als schwach 
              und ist ohne Ansehen."(4) 
             Als 
              Wanderprediger durchzog Vicelin das Land, predigte den von Unruhen 
              und Überfällen gepeinigten Holsten den christlichen Gott 
              und ein friedliches ewiges Leben. Dieser Prediger hatte einen beachtlichen 
              Zulauf, insbesondere bei den Frauen, weil er vermutlich den von 
              Ängsten geplagten mittelalterlichen Menschen im Glauben an 
              einen starken Gott und in der Solidarität der Christen einen 
              Halt bot.(5) 
             Viele 
              aber hielten noch lange an ihren alten Vorstellungen fest. Sie glaubten 
              an diverse Zauber, Geister und Götter, die sie durch kultische 
              Handlungen zu erwecken oder zu beeinflussen versuchten. Als höchste 
              Instanz galt das Schicksal (metod), dem alle Menschen, übermenschliche 
              Wesen und Götter unterworfen zu sein schienen. Das Schicksal 
              wurde als in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geteilt betrachtet. 
              Man meinte, es lege sich gewissermaßen wie bei Losentscheidungen 
              selber fest. Ihm gegenüber gab es in der Volksanschauung eigentlich 
              nur die Unterwerfung. Die Menschen glaubten, dass sie durch rituelle 
              Handlungen das Schicksal zu erkunden vermochten, es aber nicht wirklich 
              abändern zu können.(6) 
             Selbst 
              Helmold, der Schreiber von Vicelin, war offensichtlich neben der 
              christlichen auch durch altsächsische Mythologien beeinflusst. 
              So schreibt er zum Beispiel: 
             
              ... 
              dass Kriege und Stürme, Pestilenz und 
              andere dem Menschengeschlecht feindselige Mächte von den bösen 
              Geistern angeregt und herbeigeführt werden, wer sollte das 
              nicht wissen?"(7) 
             Solchen 
              vermeintlichen Mächten und Geistern wurden in christlichen 
              Kreisen jedoch immer nur eindeutig negative Eigenschaften zugeschrieben. 
              Ein Beleg für die konkurrierenden Religionsvorstellungen in 
              jener Zeit. 
            
              - Vgl. 
                Irmtraut Engling, Das Neumünster-Buch, Neumünster, 1985, 
                S. 34
 
              - Alexander 
                Heine, Helmold, Chronik der Slaven, Essen, 1990, Nr. I 47, S. 
                148
 
              - Vgl. 
                Alexander Heine, Helmold, Chronik der Slaven, Essen, 1990, Nr. 
                I 45, S. 145
 
              - Alexander 
                Heine, Helmold, Chronik der Slaven, Essen, 1990, Nr. I 47, S. 
                147 - 148
 
              - Vgl. 
                Irmtraut Engling, Das Neumünster-Buch, Neumünster, 1985, 
                S. 34
 
              - Vgl. 
                Hans-Peter Hasenfratz, Die religiöse Welt der Germanen, Freiburg, 
                1992, S. 88-112
 
              - Alexander 
                Heine, Helmold, Chronik der Slaven, Essen, 1990, Nr. I 55, S. 
                168
 
             
              
             
               
              
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